Mut zur Wahrheit: Eine Geschichte aus dem Neflental
Im Neflental funkelten in der Frostnacht die Sterne besonders hell und spiegelten sich auf dem Kristallsee. Die Kälte ließ den See wie eine gläserne Fläche erscheinen. In der Winterluft klirrte das Licht so klar, dass selbst die Pfahlbauten der Flossianer wie aus funkelndem Eis geschaffen wirkten. Jeder Atemzug wurde zu einer kleinen Nebelwolke, und der Raureif verwandelte den Farnwald in ein Meer aus Silberweiß.
Die geheimnisvolle Frostnacht am Kristallsee
Die Frostnacht war gekommen. Der verschneite Wald lag ruhig und still. Leise tanzten Schneeflocken durch das Mondlicht. Es schien, als hätten sie kleine leuchtende Erinnerungen in sich. Von fern erklang das Glockenläuten aus dem Tal. Die Berge standen dunkel und mächtig am Horizont.
Am Ufer des Kristallsees liefen die Flossianer über die Stege ihrer Pfahlbauten. Sie lebten halb im Wasser, halb auf dem Land. Ihre Holzhäuser standen auf starken Pfählen im klaren Wasser. Muscheln und Perlen schmückten die Wände in bunten Mustern, die Geschichten aus den Tiefen zeigten.
An diesem besonderen Abend kroch Rosa Immergrün aus dem Farnwald zum See. Sie hatte versprochen, einer Einladung der Flossianer zu folgen. Im Bauch flatterten kleine Mutfalter, denn sie trug ein Geheimnis mit sich. Es war kein schönes Gefühl. Sie wusste nicht, ob sie die Wahrheit sagen sollte. Aber sie wusste auch: Mut ist, ehrlich zu sein, selbst wenn es schwerfällt.
Die Wahrheit im Herzen
Die Flossianer bereiteten ein Fest vor. Bunte Laternen schwammen auf dem See. Muschelbögen und Perlenkränze glitzerten im silbernen Licht. Am Rand der Feuerschale sangen die Flossianer ein Lied, das wie das Plätschern kleiner Wellen klang.
Alle warteten darauf, dass Rosa Immergrün eine Geschichte erzählte. Doch Rosa saß still. Sie spürte den kalten Wind auf den Wangen. Sie wusste, dass sie ihren Freund Lian enttäuscht hatte, weil sie sein Mosaik aus Versehen zerbrochen und danach geschwiegen hatte. Sie hatte Angst, dass die anderen traurig oder wütend werden könnten.
Der Mut zu Wahrheit war nicht leicht. Aber sie dachte daran, wie hell die Sterne leuchteten und wie sie den See spiegeln ließen. So wollen auch gute Freunde einander offen begegnen, damit Herzen offen bleiben können.
Rosa Immergrün zeigt Mut zur Wahrheit
Plötzlich stand Rosa auf und schaute in die Runde. Sie schluckte kurz, doch ihre Stimme wurde fest. „Lian, ich muss etwas sagen. Dein Mosaik ist kaputt gegangen. Ich war es. Es tut mir leid, dass ich es nicht gleich erzählt habe. Ich hatte Angst, du bist dann mein Freund nicht mehr.“ Die Stille im Kreis war groß.
Lian schaute Rosa an. Er war erst überrascht, dann aber lächelte er leise. „Danke, dass du ehrlich bist. Ich finde es mutig, die Wahrheit zu sagen,“ meinte er. Das Glitzern der Sterne fiel auf ihre Gesichter, und mit einem Mal war die Luft wieder leichter. Die anderen nickten. Jeder hatte schon aus Versehen etwas gemacht, das ihm leidgetan hatte.
So wurde das Fest am Kristallsee zu einem besonderen Fest. Die Musik klang wärmer, weil das Eis auf Rosas Herz geschmolzen war. Schneeflocken funkelten im Licht, als wollten sie die Erinnerung an diesen Moment für immer aufbewahren. Und die Freunde legten gemeinsam ein neues, noch schöneres Mosaik. Die Geschichte wurde in Perlen und Muscheln festgehalten und ist nun Teil der Erzählungen, die die Pfahlbauten schmücken.
Was lernen wir daraus?
Manchmal braucht man viel Mut, um ehrlich zu sein. Doch die Wahrheit kann wie das Licht der Sterne sein: Sie bringt Vertrauen und neue Hoffnung. Mut zur Wahrheit ist ein Geschenk – für dich selbst und für alle, die dir wichtig sind. Im Neflental blieben die Freunde im Frostnachtlicht eng verbunden. Und vielleicht hörst du ihr Lachen noch im Klang der fernen Glocken.
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